Kroatien hat eine lange Weinbautradition, die während der kommunistischen Regierung brach gelegen ist. Seit Mitte der 90er Jahre besinnt sich eine neue Winzergeneration auf die autochthonen Rebsorten und modernes Winemaking. Mit Erfolg – Kroatien wird als eine kommende Weinbaunation gehandelt. Die Halbinstel Istrien im Norden spielt dabei eine klare Vorreiterrolle.
Es
ist diese rote Erde, die sofort ins Auge sticht. Selbst an regnerischen
Tagen leuchtet sie, als würde das ganze Land brennen. Dazwischen ragen
grell grüne Rebstöcke aus dem Boden; im Hintergrund glitzert tiefblau
die Adria. Ein Bild wie aus einem alten Kodacolor Film. Unwirklich
schön.
Mladen
Roxanich zeigt mit einer ausladenden Geste über seine Weingärten. 27 ha
Rebland bewirtschaftet der kroatische Neowinzer im Norden Istriens nahe
der Küste. Früher war er Automechaniker, jetzt bastelt er an
Rebstöcken. Ein lang gehegter Traum geht damit für ihn in Erfüllung. Er
reiste in alle wichtigen Weinanbaugebiete weltweit und arbeitete für
einige Zeit bei Winzern an der Rhône.
2001
hat er unter dem Namen Roxanich begonnen Wein anzubauen, 2008 kam der
erste Jahrgang auf den Markt, heute ist er der Shootingstar der jungen
kroatischen Weinszene. Mit seiner bulligen, gedrungenen Statur und den
kleinen, dunklen Augen sieht er eher wie ein Zehnkämpfer aus. Spricht er
jedoch über seine Weine, wird schnell klar, wie überlegt Roxanich ist.
Ein Tüftler, ein Visionär. Einer, der das Zeug zu einem ganz großen
Weinmacher hat.
Sein Betrieb arbeitet organisch, nach biodynamischen Prinzipien. In seinem 900 m2
großen, funkelnagelneuen Keller wird nach uralten Methoden gekeltert,
ohne jegliche chemische oder technische Zusätze. Die Weine gären in 70
Hektoliter großen, alten Holzbottichen. Die Weißweine, allen voran die
autochthone Rebsorte Malvasia Istriana, werden dabei fast wie Rotwein
vergoren. Die Schalen werden nicht wie üblich vom Traubensaft getrennt,
sondern gemeinsam eine Woche und länger mazeriert. Das gibt ihnen diese
unvergleichlich dunkle Farbe. Durch den Schalenkontakt gewinnt der
Weißwein an Tiefe und Komplexität, erhält eine feine Tanninstruktur und
wird durch eine meist offene Gärung in großen Holzbottichen besonders
lagerfähig. Noch weitere drei Jahre reift er in großen Holzfässern. Seit
einigen Jahren kursieren Weine wie dieser unter dem -Namen „Orange
Wines“ und schmücken die Weinkarten der besten Restaurants der Welt.
Der
Malvasia Istriana 2007 von Roxanich ist knackig und blitzsauber, keine
Spur von muffigen Tönen, die manche „Orange Wines“ begleiten. Kompakt
und voller wilder Kräuter, dabei äußerst fein. Nach einiger Zeit
schmeckt man einen Hauch exotischer Früchte. Reife Mango und süss-saure
Passionsfrucht. Grüner First Flush Tee und eine gewaltige salzige
Mineralität. Die Aromen verändern sich ständig, ohne je auszuufern.
Gelassen, in sich ruhend: ein burmesischer Mönch beim Meditieren.
Roxanich will keine vordergründigen Weine, primäre Fruchtaromen
interessieren ihn nicht. Selbst sein Chardonnay wird von dieser kühlen
Eleganz getragen. Herausragend auch der rote Teran, ebenfalls eine
autochthone Rebsorte aus Istrien. Ein dunkler, erdiger Wein. Glasklar
und völlig ohne Zierrat. Ultratraditionell und avantgardistisch
zugleich.
Doch
Ideologien interessieren den Winzer nicht, er lässt sich in keine
Schublade stecken. „Weinbau muss frei von Dogmatismus sein – Dogmatismus
bedeutet Unfreiheit, und das haben wir doch schon gehabt“, sagt er und
lacht sein typisches dunkles rollendes Lachen. Dabei sieht er aus wie
ein Pirat. Roxanich spielt auf die düsteren Zeiten des Kommunismus an,
als jahrzehntelang die gesamte Weinernte in den sozialistischen
Einheitsbottich floss. Lediglich einige Liter durften die Bauern für
ihren eigenen Bedarf behalten. Es waren riesige Mengen an qualitativ
minderwertigem Wein. Danach wütete der Balkankrieg und niemand dachte an
Weinbau. Erst in den frühen 90er Jahren erwachte die jahrhundertealte
Weinbautradition Istriens aus ihrem Dornröschenschlaf.
Ivica
Matoševic´ erweckte den istrischen Wein wieder zum Leben: Der
promovierte Botaniker erkannte als einer der Ersten das
Qualitätspotenzial der Region und revolutioniert seitdem die
Weinproduktion Istriens. Matoševic´ setzt auf eine moderne Stilistik:
kalte Vergärung sowie viel Barrique. Internationale Anerkennung
erreichte er mit der ersten Parker Bewertung Anfang 2000: 89 Punkte für
seine rote Cuvée aus Merlot und Teran.
Es
gelingt ihm, wieder an die jahrhundertealte Weintradition Istriens
anzuknüpfen. Vor allem im Habsburgerreich und unter der Herrschaft der
Italiener blühte die Weinwirtschaft der Halbinsel.
Matoševic´
ist wie die meisten jungen Weinmacher ein Quereinsteiger. In seinem
Umfeld etabliert sich eine neue, äußerst ambitionierte Winzergeneration,
der Anerkennung allein nicht reicht. Sie will die Grenzen des
konventionellen Weinbaus sprengen und authentischere Weine produzieren.
Einer von ihnen ist -Giorgio Clai, der in Triest das Restaurant seiner
Eltern führte. Clai kannte die Karstwinzer in Italien und Slowenien, die
mit heimischen Rebsorten eigenständige und für die Region typische
Weine produzieren.
Mit
der Vision, in Istrien einen ebenso ursprünglichen Wein zu keltern,
kehrte er in sein Heimatdorf nahe der Küstenstadt Umag zurück. Heute
betreibt er 7 Hektar nach biodynamischen Kriterien. Er treibt die
Produktion der „Orange Wines“ auf die Spitze: Sein Malvasia Istriana
„Sveti Jakov“ 2009 ist mehrere Monate (!)
mit den Schalen spontan vergoren worden. Tiefgründig und fein verwoben,
Agrumen und Honeysuckle, Karamell und Schwarztee, Meer und Wurzeln,
unendlich viele Arome erscheinen und verschwinden wieder; eine Erzählung
voller wundersamer Bilder.
Freilich
gibt es auch Winzer in Istrien, die nur auf internationale Sorten
setzen, die ihre Weine mit zu viel Barrique bis zur Unkenntlichkeit
verstümmeln. „Gesichtslose Wesen, die sich trotzdem gut verkaufen“,
warnt selbst Parkers Wine Advocate vor allzu moderner Stilistik. Das
renommierte englische Weinmagazin Decanter wiederum attestiert jenen
Winzern, die regionaltypische Weine erzeugen, eine ganz große Zukunft.
Im
November 2010 erhielt erstmals ein Amphorenwein aus Istrien 90 Parker
Punkte. Eine kleine Sensation: Der Malvazija Amfora des Weinguts Vina
Kabola begeistert die amerikanischen Tester. Sie schwelgen in
Verkostungsprosa. Marino Markežic´ ist einer der wenigen Winzer mit
einer langen Weinbautradition in der Familie. Im Norden Istriens, nahe
der slowenischen Grenze, betreibt er auch ein Restaurant, das für seine
hervorragenden Trüffelgerichte bekannt ist. Vor dem hübschen Steinhaus
lagert eine der Amphoren, die er vor einigen Jahren aus dem Kaukasus
mitbrachte. Markežic´ ist begeistert von dem alten Verfahren, bei dem
der Wein nach der Lese in Amphoren gefüllt und in der Erde vergraben
wird.
„Nichts kann den Wein mehr beeinflussen, in völliger Ruhe reift er ganz von alleine.“
Neben
den Extremisten gibt es aber auch eine Reihe konventioneller Winzer,
die aus den autochthonen Rebsorten Istriens hervorragende Weine keltern.
Ein besonders guter Teran wird von einem Winzer mit italienischen
Wurzeln gekeltert. Moreno Coronica, ein temperamentvoller und herzlicher
Mann mittleren Alters, weiß mit der rabauzigen Art der roten Rebsorte
umzugehen. Die oft beißende Säure und Bitterkeit schrecken verwöhnte
Gaumen. Moreno gelingt es, den Wein zu besänftigen, ohne seinen
Charakter zu brechen. Eine rassige, aber eingebundene Säure, schwarze
Aromen, Sauerkirschen, profund und fein, der Gran Teran 2008 bleibt in
Erinnerung als einer der aufregendsten Rotweine der letzten Jahre.
Ein Wein wie nährender Nektar, oder wie man in Istrien sagt: Wein ist Essen für die Seele.

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